Ballast abwerfen – die Kohlkopf-Methode

Kohlköpfe und Schwimmhilfen – Was wir mitnehmen, was wir loslassen

Veränderung braucht Mut – und manchmal einen Perspektivwechsel. Die Methode „Kohlköpfe“ lädt Teams und Einzelpersonen dazu ein, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Was trage ich mit mir herum, obwohl ich es vielleicht gar nicht mehr brauche? Und was hilft mir wirklich beim Vorwärtskommen?

Diese Methode eignet sich besonders für Teamprozesse, Veränderungsvorhaben, Organisationsentwicklung und die Reflexion eigener Rollen und Aufgaben.

 

Die Metapher

Die Methode basiert auf einer bildhaften Geschichte von Inselbewohnern, die lernen wollen zu schwimmen, um in ein besseres Land zu gelangen. Doch viele wollen ihren Sack voller Kohlköpfe mitnehmen – sinnbildlich für Gewohnheiten, Prozesse, Aufgaben oder Überzeugungen, die ihnen vertraut sind, aber das Vorankommen behindern.

Kohlköpfe stehen dabei für Dinge, die schwer loszulassen sind – auch wenn sie möglicherweise nicht mehr nützlich oder notwendig sind.
Schwimmhilfen symbolisieren Ressourcen, Fähigkeiten oder Prozesse, die Veränderung ermöglichen und erleichtern.

 

Ziel der Methode: Loslassen und neu fokussieren

Die Übung unterstützt Teams und Einzelpersonen dabei:

  • sich auf das Wesentliche zu konzentrieren,
  • unnötige Routinen oder Aufgaben zu erkennen,
  • Ressourcen sichtbar zu machen, die in Veränderungen tragen.

Sie eignet sich besonders gut für:

  • anstehende Veränderungsprozesse und Reorganisationen,
  • neu zusammengesetzte Teams,
  • Team- und Bereichsentwicklung,
  • Rollenklärung und Fokussierung auf das Wesentliche.

 

Durchführung der Methode „Kohlköpfe“: Schritt für Schritt

  1. Einstieg: Die Geschichte vorlesen (5 Min.)
    Die nachfolgende Parabel als Einstieg vorlesen – ruhig, mit Pausen. Sie soll die Vorstellungskraft anregen und die Reflexion vorbereiten.
  2. Kohlköpfe identifizieren (7–10 Min.)
    Die Teilnehmenden überlegen, welche Aufgaben, Prozesse oder Routinen in ihrem Arbeitskontext sie als „Kohlköpfe“ empfinden – also als überholt, hinderlich oder nicht mehr sinnvoll.
    → Jede:r schreibt einen besonders wichtigen Kohlkopf auf eine Karte (DIN A5).
  3. Schwimmhilfen benennen (7–10 Min.)
    Anschließend identifizieren die Teilnehmenden 2–3 „Schwimmhilfen“ – Dinge, die sie im Alltag tragen, stärken und weiterbringen.
    → Eine davon wird auf eine weitere Karte geschrieben.
  4. Feedbackrunde im Raum (20–30 Min.)
    Beide Karten (Kohlkopf und Schwimmhilfe) werden auf den Rücken geklebt. Die Teilnehmenden bewegen sich durch den Raum und kommen ins Gespräch – jedoch ohne Diskussion.
    → Wer bei anderen einen typischen Kohlkopf erkennt, markiert dies mit einem „K“ auf der jeweiligen Karte.
  5. Reflexion (5-7 Min.)
    Nach der Runde holen sich alle ihre Karten zurück und reflektieren:
  • Was war die Resonanz auf meine Karten?
  • Welche neue Sicht habe ich gewonnen?
  • Ist mein Kohlkopf vielleicht doch eine Ressource – oder umgekehrt?
  1. Auswertung im Plenum (10 Min.)
    Alle Karten werden geordnet (z. B. an einer Pinnwand) gesammelt. Eine Priorisierung ist optional – je nach Gruppengröße und Zielsetzung.

Die Zeiten sind Richtzeiten und ändern sich je nach Gruppengrösse. Du solltest jedoch bei 7-9 Personen mindestens 60 Minuten für die Übung einplanen.

Die Geschichte zur Methode: Die Insulaner und das Schwimmen

Die Insulaner sehnten sich danach, in ein anderes Land auszuwandern, in dem sie ein gesünderes und besseres Leben führen könnten. Das Problem war, dass die praktischen Künste der Schifffahrt und des Schwimmens bei diesen Leuten nie entwickelt wurden oder schon vor langer Zeit verloren gegangen waren.
So arrangierten sich die meisten Insulaner und versuchten ihr Problem an Ort und Stelle zu lösen, ohne an eine Überquerung des Wassers zu denken.
Ab und zu erfand einer der Inselbewohner die Kunst des Schwimmens aufs Neue, und manchmal kam auch ein hoffnungsvoller Schüler zu so jemandem, der das Wasser zu überqueren wusste.
Dann entwickelte sich etwa folgender Dialog:

– Ich möchte schwimmen lernen.
– Möchtest du einen Vertrag aushandeln?
– Das ist nicht nötig, ich muss nur meinen Sack Kohlköpfe mitnehmen können.
– Was für Kohlköpfe?
– Na, das Essen, das ich auf der anderen Seite brauchen werde.
– Da gibt es besseres Essen.
– Wie soll ich das verstehen? Das weiß ich doch nicht – nein, meine Kohlköpfe muss ich mitnehmen.
– Aber mit einem Sack Kohlköpfe kannst du nicht schwimmen!
– Dann kann ich auch nicht mitkommen. Du nennst es eine Last – für mich ist es lebenswichtige Nahrung.

 

Meine Tipps für die Moderation

  • Zeit lassen für die Geschichte – sie ist der emotionale Einstieg und trägt das Bild der Methode.
  • Kohlköpfe identifizieren ist nicht leicht: Ein Hinweis, dass manche Aufgaben heute gar nicht mehr ins eigene Team gehören, kann helfen. Oft geht es um Dinge, die „schon immer so gemacht wurden“.
  • Fokus auf Selbstreflexion: Die Methode zielt bewusst darauf ab, den eigenen Verantwortungsbereich kritisch zu hinterfragen – und nicht (nur) den der anderen.
  • „Weniger ist mehr“: Lieber einen einzigen Kohlkopf ehrlich benennen als zehn halbherzig.

Die Methode kann problemlos mehrmals im Jahr wiederholt werden, z. B. als Teil von Retrospektiven, Strategietagen oder Teamentwicklungen.

 

Deine Erfahrungen?

Hast du die Methode schon einmal selbst eingesetzt? Welche Varianten oder Tipps hast du entwickelt?
Ich freue mich über Anregungen, Erfahrungen und Rückmeldungen im Kommentarfeld.

 

Quelle:
Change-Tools: 66 Methoden für die agile Praxis
von Mathias Weitbrecht, Jutta Heller u. a., ManagerSeminare Verlag

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